Nürnberg. Ein bedeutender Meilenstein für den Schutz schwangerer Frauen in der Humanmedizin ist erreicht: Der Ausschuss für Mutterschutz (AfMu) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat auf Antrag des Berufsverbandes Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) eine Regelung zur Gefährdungsbeurteilung von Narkosegasen verabschiedet, die nun im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) veröffentlicht wurde. Die neue Regel konkretisiert die Anforderungen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) und sorgt für eine einheitliche und wissenschaftlich fundierte Einschätzung der Risiken durch volatile Anästhetika wie Isofluran, Desfluran und Sevofluran.
Volatile Anästhetika sind gasförmige Narkosemittel, die in der Anästhesie zur Betäubung eingesetzt werden. Sie werden über die Atemwege aufgenommen und ermöglichen eine gezielte Steuerung der Narkose. Da sie bei der Anwendung in die Raumluft gelangen können, ist ein kontrollierter Umgang notwendig, um gesundheitliche Risiken für das medizinische Personal zu minimieren.
Arbeit mit Narkosegasen in der Schwangerschaft: Was ist erlaubt, was nicht?
Die neue AfMu-Regel stellt klar, dass bei Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorgaben in der Regel keine unverantwortbare Gefährdung für schwangere Frauen besteht. Diese Vorgaben sind in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 525) festgelegt, die beschreibt, wie medizinisches Personal durch spezielle Lüftungssysteme, geschlossene Narkosegeräte und weitere Schutzmaßnahmen vor einer unnötigen Belastung durch Narkosegase geschützt werden kann. Gleichzeitig definiert die neue Regel bestimmte Tätigkeiten, die für Schwangere nicht zulässig sind, darunter:
- Maskeneinleitungen
- Inhalative Sedierung auf der Intensivstation
- Befüllen der Verdampfersysteme (Vapore)
- Nutzung von Rückgewinnungssystemen
- Arbeiten in Räumen ohne geeignete Lüftungstechnik (wie ggf. in Eingriffsräumen oder Aufwachbereichen).
Der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) hat sich intensiv für eine praxisnahe und wissenschaftlich fundierte Regelung eingesetzt und bezeichnet die Aufnahme als „Meilenstein für den Mutterschutz“. „Die Entscheidung bringt endlich die nötige Klarheit für unsere Mitglieder. Sie zeigt, dass eine Weiterbeschäftigung von Schwangeren unter bestimmten Bedingungen möglich ist, ohne Kompromisse beim Gesundheitsschutz einzugehen“, betont Prof. Dr. Tino Münster, der den Antrag des BDA im AK Gefahrstoffe des AfMu begleitet hat.
Sicherheit durch wissenschaftliche Bewertung
Die Regelung basiert auf aktuellen arbeitsmedizinischen und toxikologischen Erkenntnissen. Studien zeigen, dass moderne Expositionsminderungsmaßnahmen das Risiko für schwangere Frauen erheblich reduzieren. Gleichzeitig sorgt die klare Definition unzulässiger Tätigkeiten für eine praxistaugliche Umsetzung des Mutterschutzes. „Wir sehen dies als wichtigen Fortschritt für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Anästhesiologie“, BDA-Präsidentin Prof. Dr. Grietje Beck.
Der BDA setzt sich bereits seit Jahren für klare Regelungen zum Schutz schwangerer Ärztinnen ein. Schon 2014 entwickelte die Kommission Gesundheitsschutz des BDA eine sogenannte „Positivliste“, die Tätigkeiten aufzeigt, die für Schwangere weiterhin möglich sind. Nach der Novellierung des Mutterschutzgesetzes im Jahr 2018 wurde diese Liste überarbeitet, erweitert und 2024 in angepasster Version veröffentlicht. Sie gibt schwangeren Ärztinnen und ihren Arbeitgebern konkrete Hinweise, welche klinischen und administrativen Tätigkeiten weiterhin ausgeübt werden können und welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind.
Die vollständige Regelung ist hier abrufbar: