Nürnberg. Angesichts der Einigung von Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Ampelfraktionen zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) erkennt der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) einige Fortschritte. Jedoch bleiben zentrale Anliegen der Anästhesiologie weiterhin unberücksichtigt – insbesondere die fehlende Einbindung in die Vorhaltefinanzierung und unzureichende Regelungen zu Hybrid-DRGs stoßen auf Kritik seitens des BDA. 

Nach der öffentlichen Anhörung zum KHVVG vor dem Gesundheitsausschuss am 25.09.2024 hatte sich die Ampelkoalition zu 51 Änderungen am Gesetzentwurf verständigt. Dies haben Bundesminister Lauterbach (SPD), Andrew Ullmann (FDP), Janosch Dahmen (Bündnis90/Die Grünen) und Heike Baehrens (SPD) auf einer Pressekonferenz am 8.10.2024 mitgeteilt.

Der BDA hat die Änderungsanträge durchgesehen und sieht etwas Licht, aber noch viel Schatten im Gesetzentwurf.

Licht: Querschnittsaufgaben wie Anästhesie sollen vom InEK geprüft werden

In seinen bisherigen Stellungnahmen und im Rahmen der öffentlichen Anhörung hatte der BDA insbesondere auf die fehlende Berücksichtigung der Anästhesie bei der Krankenhausreform hingewiesen und die Ausgliederung der anästhesiologischen und intensivmedizinischen Kosten in die neue Vorhaltevergütung gefordert. Dieser Forderung ist die Ampel zwar nicht gefolgt, sieht aber im Regelungsvorschlag Nr. 33 vor, dass das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) bei der Evaluation kritisch zu beleuchten hat, „ob bei den Kosten von Querschnittsaufgaben, die bereits in der Kalkulation enthalten sind, Handlungsbedarf für eine noch bessere Abbildung in der Kalkulation und in den Vorhaltekosten besteht“. 

Trotz dieser Fortschritte bleibt der BDA kritisch gegenüber der fehlenden Einbeziehung der Anästhesiologie in die Vorhaltefinanzierung. Während andere zentrale Bereiche des Gesundheitswesens in die neue Finanzierungsstruktur integriert wurden, bleibt die Anästhesie – trotz ihrer tragenden Rolle in der operativen und intensivmedizinischen Versorgung – außen vor. Obwohl der BDA die Dringlichkeit, die Anästhesiologie in die Vorhaltefinanzierung zu überführen, immer wieder betont hat, wird diese in den Änderungsanträgen weiterhin unberücksichtigt gelassen. Dies ist aus Sicht des BDA ein erheblicher Mangel, da anästhesiologische Abteilungen in Krankenhäusern eine zentrale Rolle für die flächendeckende Versorgung spielen.

„Der BDA sieht in der neuen Regelung aber zumindest einen Hinweis darauf, dass unsere Warnungen vor den Gefahren für die Finanzierung von Anästhesie- und Intensivabteilungen durch die neue Vorhaltevergütung zumindest vom Gesundheitsausschuss und dem BMG wahrgenommen wurden. Immerhin soll das IneK diese Risiken nun evaluieren“, erklärt Dr. Markus Stolaczyk, Leiter Gesundheitspolitik im BDA. „Das ist zwar nur ein Teilerfolg, aber immerhin werden unsere Kosten jetzt genauer unter die Lupe genommen. Wir werden das selbstverständlich kritisch begleiten und stehen dem InEK und dem BMG sehr gerne zum weiteren Austausch zur Verfügung“, sieht BDA-Präsidentin Prof. Grietje Beck hier zumindest eine kleine Verbesserung.

Weiterbildungskosten zumindest erwähnt 

Ebenfalls zurückhaltend positiv bewertet der BDA, dass der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) die Einführung von Zuschlägen, allerdings auch Abschlägen, zur Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung prüfen sollen (Regelungsvorschlag 30). Ob es Zu- oder Abschläge geben wird, soll in Abhängigkeit der Qualität der Weiterbildung anhand von Qualitätsindikatoren umgesetzt werden. „Wir haben gegenüber dem BMG – übrigens zusammen mit dem chirurgischen Berufsverband und deren Fachgesellschaft – darauf hingewiesen, dass das KHVVG keinerlei Aussage zur Unterfinanzierung der Weiterbildungskosten enthält. Dass die Weiterbildungskosten jetzt wenigstens erwähnt werden, ist positiv. Ob das System mit Qualitätsindikatoren funktioniert und nicht zu einem Bremser bei der Ausgestaltung wird, muss sich noch zeigen“, so BDA-Präsidentin Beck.  

Einführung ärztlicher Personalbemessung

Ebenso wichtig erscheine es, dass die Bundesregierung jetzt die ärztliche Personalbemessung im Gesetz implementieren will „und dies nach Weiterbildungsstufen differenziert geschehen soll“, macht sie aufmerksam. Im Regelungsvorschlag 15 ist vorgesehen, dass Krankenhäuser verpflichtet werden, die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte nach Vollzeitäquivalenten (VZÄ) zu ermitteln. Diese Daten sollen nach Weiterbildungsstufen differenziert werden, um eine präzisere Personalplanung zu ermöglichen. 

Als Personalbemessungsinstrument soll hierbei das von der Bundesärztekammer entwickelte ÄPS-BÄK dienen können. „Wir haben als BDA der Bundesärztekammer mit unserem Tool, das wir übrigens schon seit 2008 anwenden, ja die Grundlage für die ärztliche Personalbemessung geliefert“, so PD Dr. Thomas Iber, Schriftführer des BDA. „Insofern kommt der Gesetzgeber jetzt einer langjährigen Forderung von uns nach, endlich einen SOLL-IST-Abgleich durchzuführen, um den Ärztemangel objektivierbar darzustellen.“ Auch Grietje Beck kommt angesichts dessen zu einem verhalten positiven Zwischenfazit: „Wenn das so kommt, wird man in Zukunft genau bemessen können, wie viel Facharzt es braucht, um junge Kolleginnen und Kollegen bis zur Facharztreife auszubilden. Das muss dann eben auch endlich adäquat gegenfinanziert werden.“ 

Schatten: Hybrid-DRGs und die Absenkung der Vergütung auf EBM 

Gravierende Kritik übt der BDA indes an den ungenügenden Regelungen zum Hybrid-DRG-System, insbesondere in Bezug auf die perspektivische Absenkung der Honorare auf EBM-Niveau. Der Regelungsvorschlag Nr. 7 sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 eine vollständige Angleichung des Vergütungsniveaus nach § 115b erreicht wird. „Eine solche Regelung wäre nicht nur ein finanzieller Rückschlag für die Anästhesistinnen und Anästhesisten, sondern könnte auch die Weiterentwicklung der Ambulantisierung insgesamt gefährden“, resümiert Dr. Frank Vescia, Vizepräsident des BDA. 

Jörg Karst, Vertreter der niedergelassenen Anästhesistinnen und Anästhesisten im BDA, warnt: „Die Investitionen, die jetzt auf Grund von Hybrid-DRGs getätigt werden, um entsprechende Strukturen aufzubauen oder bestehende weiterzuentwickeln, sind dann nicht mehr gesichert. Das ist eine Farce!“ Der BDA lehne diese Regelung klar ab. „Die initial als Incentivierung zum ambulanten Operieren geplanten Hybrid-DRGs landen dann auf EBM-Niveau. Wie sollen wir das unseren Mitgliedern – neben den schon mehrfach angesprochenen Schwächen des Systems – noch erklären?“, fragt sich Dr. Stolaczyk.

Ein weiteres großes Defizit sieht der BDA in der unzureichenden Berücksichtigung der Sachkosten im ambulanten Bereich. Diese liegen deutlich höher als im stationären Bereich und werden nach Ansicht des BDA auch durch die weiteren neuen Regelungen keinesfalls adäquat berücksichtigt. „Die Vergütung abzusenken, wird zu einem Austrocknen des ambulanten Operierens führen und zwar sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im Krankenhaus. Am Ende stehen dann erhebliche Versorgungslücken. Das kann niemand wollen“, lehnt BDA-Vize Vescia die neuen Regelungen ab.

Die Änderungsanträge zum KHVVG bringen aus Sicht des BDA zwar einige Verbesserungen in der Krankenhausstruktur und der Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung, lassen jedoch wesentliche Anliegen der Anästhesiologie unbeachtet. Angesichts dessen fordert der BDA weitere Nachbesserungen, um die finanzielle Stabilität der Anästhesiologie zu sichern und damit auch weiterhin eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten.