Nürnberg. Aktuelle Analysen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und der Techniker Krankenkasse zeigen einen deutlichen Rückgang bei der Anzahl der durchgeführten Videosprechstunden in Deutschland.
Der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) nimmt diese Entwicklung zum Anlass, Anpassungen an der Ausgestaltung der Videosprechstunden zu fordern. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung könnten damit die Rahmenbedingungen für Videosprechstunden verbessern und den Zugang zu digitalen Beratungsangeboten erleichtern.
„Ambulant tätige Anästhesistinnen und Anästhesisten dürfen Videosprechstunden nur durchführen, wenn die Patientin oder der Patient bereits einmal persönlich in der Praxis vorstellig wurde. Diese Regelung stellt eine unnötige Hürde dar, die gerade im Hinblick auf die geplante Ambulantisierung durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hinderlich ist“, sagt Jörg Karst, Vertreter der ambulant und vertragsärztlich tätigen Anästhesistinnen und Anästhesisten im BDA.
Eine Neuregelung sei insbesondere für Patienten von Vorteil, die aufgrund von Mobilitätseinschränkungen, langen Anfahrtswegen oder beruflichen Verpflichtungen Schwierigkeiten haben, persönliche Termine wahrzunehmen. Diese Flexibilität kann den Zugang zur notwendigen anästhesiologischen Beratung erheblich erleichtern. Zusätzlich könne es auch eine Möglichkeit sein, Angehörige oder Betreuer leichter in die Besprechung einzubeziehen. Dies kann besonders wichtig sein, um sicherzustellen, dass alle relevanten Informationen vor einer Operation vermittelt und verstanden werden. Angehörige können Fragen stellen und erhalten klare Anweisungen zur Vorbereitung und Nachsorge, was die gesamte Patientenbetreuung verbessern kann.
Videosprechstunden können eine Lücke schließen
„Die Möglichkeit einer Videosprechstunde könnte die Lücke zu einer umfassenden Videoaufklärung vor einer Operation schließen“, bilanziert Karst. Er betont, dass Anästhesistinnen und Anästhesisten durch Videosprechstunden bereits wichtige Rückschlüsse auf anatomische Gegebenheiten ziehen könnten, die für die Beatmung während einer Operation relevant sind. „Wer als Anästhesist seine Patienten und deren Gesichts- und Halsregion im Video sehen kann, kann eventuelle Schwierigkeiten bei der Beatmung frühzeitig erkennen“, erklärt Karst. „Das ist besonders wichtig, da es sich bei diesen Gesprächen nach der Überweisung durch den Operateur in der Regel um Erstkontakte handelt.“ Nach der videobasierten Anamnese könne eine körperliche Untersuchung auch am Tag der Operation durchgeführt werden. „Oder der Anästhesist entscheidet nach dem Videokontakt, die Patientin oder den Patienten persönlich einzubestellen und vereinbart gleichzeitig einen Termin.“
Dr. Frank Vescia, Vizepräsident des BDA, ergänzt: „Wenn die Krankenkassen diese Änderung nicht generell wollen, sollten sie zumindest für die Anästhesiologie eine Sonderregelung vereinbaren. Die aktuelle Situation jedenfalls behindert eine effiziente und patientenfreundliche Versorgung.“
„Auch viele Kliniken wünschen sich eine Erweiterung der digitalen und Video-Prämedikation als Zukunftsprojekt“, erklärt BDA-Präsidentin Prof. Dr. Grietje Beck, die sich als Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Mannheim ebenfalls dafür einsetzt. Für eine umfassende Umsetzung bedarf es allerdings zuvor einer rechtlichen Abklärung der Unterschriftspflicht, um die rechtlichen Rahmenbedingungen klar zu definieren und die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten.
Um eine zeitgemäße und effektive Patientenversorgung sicherzustellen, sei es höchste Zeit, die Regelungen für Videosprechstunden anzupassen.